Die Rheinpfalz (13.03.2017), Rebekka Sambale, Bild: Kunz

Die große Gefahr ist der Abriss

Meinung am Montag: Rund 30 Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg stehen noch in Ludwigshafen. Um sie zu erhalten, zu nutzen und über sie zu informieren - darüber wird nun ein Verein gegründet. Die Initiatoren Lucia Taglieber und Klaus-Jürgen Becker sprechen über die Bedeutung der Bauten.

Warum braucht die Stadt Ludwigshafen heute noch ihre Bunker?
Taglieber: Dort kann man Geschichte erleben. Wir wollen den Menschen die Möglichkeit geben, selbst mitzubekommen, wie es sich anfühlt, zu zwanzigst im Dunkeln in einem kleinen Raum zu stehen.
Becker: Ludwigshafen hat im Zweiten Weltkreig 110 gezielte Luftangriffe überstanden mit gerade mal rund 1 300 Kriegsopfern. Ohne die Bunker hätte die Bevölkerung dieser Stadt nicht überlebt. Das ist ein ganz wesentlicher Unterschied etwa zu Hamburg oder Dresden. Dort waren die Opferraten bei Luftangriffen so groß, weil eben keine Bunker da waren.

Gibt es denn genug Interesse bei den Ludwigshafenern für dieses historische Thema?
Becker: Jede Führung, die wir bis jetzt angeboten haben, war überfüllt. Das Interesse ist enorm.

Welche Menschen kommen zu den Führungen?
Becker: Es ist ein Mix. Einerseits Menschen, die das erlebt haben und sich mitteilen wollen. Andererseits Menschen, die nachvollziehen wollen, was sie über Medien oder über ihre Großeltern gehört haben. Ganz wichtig: Es ist kein militaristisch begeistertes Publikum.

Interesse ist das eine. Das andere ist Engagement. Sie sind gerade dabei, einen Verein zu gründen. Der braucht Menschen, die ehrenamtlich Zeit investieren. Kommen dafür genug Leute zusammen?
Taglieber: Ja. Und die Leute, die am Anfang beim Projekt dabei waren, sind es jetzt immer noch.

In einigen Vereinen ist es ja durchaus ein Problem, genügend - vor allem junge - Mitstreiter zu finden.
Becker: Wir haben ein Durchschnittsalter von - so schätze ich - 25 Jahren. Das ist für einen Verein sensationell jung. Ich bin ja auch Geschäftsführer im Historischen Verein. Der hat einen Altersdurchschnitt von 70, das Publikum hat einen Altersdurchschnitt von 60.

Aus dem Bunker in der Valentin-Bauer-Straße soll ein Museum werden. Man muss den Denkmalschutz beachten und den Brandschutz, man braucht finanzielle Unterstützung. Was ist ein realistischer Zeitpunkt für die Eröffnung eines Museums?
Becker: Wir arbeiten wissenschaftlich zum Thema Bunker und Luftkrieg in Ludwigshafen. Wenn die Verantwortlichen der Sozialen Stadt in West es so hinkriegen, dass dieser Bunker als Museum führbar ist, dann werden wir das aktiv unterstützen. Aber wir sind nicht diejenigen, die das verantwortungstechnisch umsetzten. Das sind die Kollegen bei der Stadtverwaltung.

Also wissen Sie nicht, wann die Idee Wirklichkeit wird?
Becker: Wir haben mit den zeitlichen Abläufen nichts zu tun und es liegt auch nicht in unserer Macht. Wir sind ein privater Verein.

Einige Bunker in Ludwigshafen werden inzwischen von Privatleuten genutzt. Was halten Sie davon, wenn etwas ganz Neues aus solch einem Bauwerk wird?
Becker: Unser Grundanspruch ist es, dass mindestens ein Bunker in Ludwigshafen authentisch bleibt. Die große Gefahr ist der Abriss. Aber ich bin für jede Umwidmung dankbar, bei der das Gebäude erhalten bleibt und weiter zu erkennen ist.

In Ludwigshafen wurden Bunker zur Kletterwand, zum Kultur-Ort, auch eine Disco war mal geplant. Schmerzt Sie sowas als Historiker nicht?
Taglieber: Nein. Das Gebäude wird ja genutzt und erhalten.

Sie möchten Bunker-Führungen mit Berichten von Zeitzeugen kombinieren. Wie gerne berichten die Menschen von ihren schlimmen Erfahrungen?
Becker: Das ist sehr unterschiedlich. Ich erhalte regelmäßig Besuch von Menschen, die ihre Erfahrungen als Flakhelfer schildern wollen oder als Soldaten im Zweiten Weltkrieg. Diese Gruppe hat ein hohes Mitteilungsbedürfnis. Und es gibt auf der anderen Seite Menschen, die man aufsuchen muss und die von sich aus gar nichts erzählen wollen.

In einigen Jahren gibt es keine Zeitzeugen mehr.
Becker: Deswegen gilt: Jetzt oder nie! Diese Menschen sind mindestens 82 Jahre alt, wenn sie substanzielle Erinnerungen an die Zeit haben.
Taglieber: Wir müssen jetzt so viel retten wie möglich.

Frau Taglieber, Sie sind 26 Jahre alt. Warum beschäftigt sich eine junge Frau mit Bunkern?
Taglieber:

Man kann sich mit Geschichte immer irgendwie auseinandersetzten. Aber zu wissen, man steht jetzt in einem Bunker, der damals benutzt wurde, und vor dem Bunker führt man dann noch ein Interview mit einem Zeitzeugen, der in genau diesem Bunker war und dadurch überlebt hat - so etwas ist prägend.
Becker: Wir dürfen nicht vergessen: Ohne die Bunker wären wir alle heute nicht hier.

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